„Ich würde sagen, dass die Stabilität in meinem Denken und Arbeiten in der Graphik sichtbarer ist als in der Malerei“, so Georg Baselitz jüngst im Gespräch mit Michael Hering, dem Direktor der Staatlichen Grafischen Sammlung München. Eben dort zeigt man derzeit – zu dessen 85. Geburtstag – die Probedrucke von „Malelade“, einem Künstlerbuch von 1989, das einmal mehr die Bedeutung der Druckgrafik im Oeuvre des großen deutschen (Nachkriegs-)Künstlers verdeutlicht. In der Druckplatte schließlich, wie in Stein gemeißelt, finalisiert sich nämlich die Intention von Baselitz, rückt dieser seine Suche im Selbst, im, wie er sagt, eigenen Ich, im Sammelsurium an Erinnerungen, Reflexionen, Gefühlen, rückt er diesen Gemütszustand metaphorisch ins oft kommentarhafte Bild. Geschichte und Heimat spielen dabei eine wesentliche Rolle, seit Beginn seiner Laufbahn als Künstler – das bis heute konsequent – beschäftigt er sich mit den Nachwehen, einer Art inneren Aufarbeitung des Dritten Reiches, auch des Deutsch-Seins, oft in Rezitation alter Meister, verehrter, verwandter, nahe stehender Künstler aus bildender Kunst, Literatur und Musik; und so kommt’s, dass Georg Baselitz inzwischen nicht nur zu den bedeutendsten deutschen Künstlern der Gegenwartskunst zählt, seit geraumer Zeit laut Kunst-Kompass auch zu den, mit Gerhard Richter und Bruce Nauman, wichtigsten der Welt.
Er, 1938 als Hans-Georg Kern in Deutschbaselitz, Sachsen, geboren, studiert Malerei bei Hann Trier an der Hochschule für Bildende Künste West-Berlin, nimmt 1961 den Künstlernamen Georg Baselitz an und stellt schnell in großen Galerien wie Werner & Katz in Berlin aus. 1969 entsteht das erste Bild mit Motivumkehr, „Der Wald auf dem Kopf“, das seither seinen Stil, seinen Habitus prägen soll. 1977 wird er Professor an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe, 1983 an der Hochschule der Künste Berlin; von Villa Romana, Florenz, über Kaiserring, Goslar, bis hin zur Ehrenmitgliedschaft an der Royal Academy of Arts, London, wie der Académie des Beaux-Arts, Paris, erhält er alle wegweisenden Auszeichnungen, die man als Künstler überhaupt zugesprochen bekommen kann. Mehrfache Teilnahmen an der documenta in Kassel ab 1972, am Deutschen Pavillon der Biennale in Venedig mit Anselm Kiefer 1980, seine Retrospektive im Solomon R. Guggenheim Museum New York 1995, eine weitere im Musée d`Art Modern in Paris 1997, die legendäre Druckgrafik-Ausstellung in der Pinakothek der Moderne 2008, nicht zuletzt die spektakuläre Retrospektive im Centre Pompidou in Paris 2021 und die Schau „Baselitz – Nackte Meister“ im Kunsthistorischen Museum Wien 2023 feiern ihn als einer der bahnbrechendsten Künstler aller Zeiten.