Voller Ehrfurcht, mit großem Respekt, ja, in schierer Demutshaltung läuft unsereins dieser Tage durch die Galerie: ein weitläufiger, dankenswerter Weise von Natur aus erhabener, zugleich Denkmal-geschützter Raum, ehemals Maschinenraum der SWA, heute museal genutzter Kuppelsaal, der, wie man sagt, etwas Sakrales an sich habe, einer heiligen Halle gleiche. Wie gemacht also ist unsere Räumlichkeit für eine Gedenkausstellung zu Ehren Bernhard Heisigs, dem großen aller größten der Leipziger Schule, Urvater eben dieser, dessen Malerei, wenngleich historisch gefühlte Lichtjahre entfernt, auch heute noch jeden am Schopfe packt, moralisch beutelt, in die Tiefen des Unterbewusstsein zieht. Leben und Tod liegen hier nah beieinander, werden spürbar, sind zu erahnen. Was wollte, was sollte Kunst mehr können, als diese Verbindung herzustellen? DDR hin oder her, ob entstanden in Diktatur, vermeintlich zu Zwecken von Demagogie, sozialistischer Dogmatik, ob nun Partei konform oder nicht, spielt bei eben diesem künstlerischen Ausnahmefall Bernhard Heisig keine Rolle mehr. Was der aufmerksame Betrachter fühlt, geht weit über den, einen sozialistischen Realismus hinaus. Das Oeuvre Heisigs, der nicht umsonst bereits in den 1980er Jahren, weit vor der Wende, im Westen gezeigt, gekauft, verehrt wurde, meint den Mensch, hin und hergerissen zwischen Oper und Täter, nicht das Politikum. Er, stilistisch anknüpfend an die Klassische Moderne, auch an Gattungen wie Portrait, Bildnis, Stillleben, Landschaft, das allegorische Genre- und Historienbild, malt sich, expressiv, zunehmend abstrakt, teils surreal, besser, magisch realistisch, das überkommende Gefühl, Wut, Trauer, Angst, im wahrsten Sinne aus dem Leib. Max Beckmann, Oskar Kokoschka, auch Francisco de Goya klingen an. Seine Zeit als Soldat der Waffen-SS im zweiten Weltkrieg verfolgt ihn – traumatisch – sein ganzes Leben. Er flüchtet sich in Kultur-Geschichte, Literatur, Theater, Musik, sucht nach Vorbildern, zur Identifikation, vielleicht auch nach Absolution. Eben diesen Kampf mit sich trägt unser Maler, inzwischen zur Legende geworden, offen und ehrlich mit Pinsel und Farbe auf Leiwand aus. Vom Leben gezeichnet ist er, einem Leben als Kriegssoldat, als Künstler der DDR, der 1986 den westdeutschen Kanzler Helmut Schmidt portraitiert, als unvergessener On-Off-Rektor der Akademie für Grafik und Buchkunst Leipzig, als von der SED geliebter wie geächteter Herr der Künste, der über Schüler wie Arno Rink und Neo Rauch auch der Neuen Leipziger Schule nach 1989 den Weg ebnet. 1925 in Breslau geboren, 2011 in Strodehne, im Havelland, verstorben, würde er am 31. März dieses Jahres seinen 100. Geburtstag begehen. Wir tun das für ihn, und verbeugen uns.
Und, an dieser Stelle auch ein paar wesentliche Worte zu Gudrun Brüne, unsere Künstlerin im Studio: Sie, 1941 in Berlin geboren, im Januar 2025 ebenfalls in Strodehne verstorben, war Schülerin, seit 1991 Ehefrau von Bernhard Heisig. Auf einen allersten Blick könnte man meinen, sie stünde im Schatten des großen Leipziger Malers. Doch ein zweiter verrät ihre Eigenständigkeit, ihren starken Willen, als Malerin wahrgenommen zu werden: Im altmeisterlichen, surreal anmutenden bis magisch realistischen Stil hinterfragt sie Weiblichkeit wie Schönheitsideale, kämpft für Emanzipation, entgegen einer bis heute oft geschönten, wenig authentischen, im wahrsten Sinne maskierten Haltung der Frau, quer durch alle Mythen, Sagen, religiösen Stoffe wie unsere echte, irdische Gegenwart. Sie ist, sie war die kluge Frau hinter und neben Bernhard Heisig, der mit ihr nicht zuletzt seine Bilder des Nachts durch diskutierte und oft ihrem Urteil anpasste. Sie wusste genau um das weibliche Rollenspiel; als Künstlerin deckt sie auf, legt den Finger mutig in die Wunde, auf sonderliche, beinahe tragikomische Art und Weise. Bravo!