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Stephan Balkenhol

Christian Awe – LOVE LANGUAGE

Ausstellungsdauer: 17.03.2023 bis 21.05.2023 

Azurblau hinauf, zielstrebig klar und direkt, einen weiten Bogen um den blutroten Farbklecks herum, steil wieder bergab, in lebhaftem Zitronengelb, bis tief ganz unten mitten hinein ins Leuchtgrün. Das Auge des Betrachters durchwandert in der Bildwelt des Christian Awe Täler und Wiesen, Gebirgsketten und Strandbuchten, aus reiner Farbe, in Acryl, in reinster Abstraktion, und wechselt derweil fast unbemerkt die Ebenen, ja, den Ist-Zustand. Irgendwie hat er, der stille Rezipient, auch den Trubel der Großstadt im Ohr, gelangt durch reines Schauen plötzlich zu sinnhafter Wahrnehmung, fühlt, erspürt mehr als zuvor, ohne jedwede Zunahme bewusstseinserweiternder Mittel. Etwas wie Freude macht sich breit, Lebhaftigkeit, Dynamik, Energie, ein Stück vom Künstler selbst.

Das Phänomen Christian Awe ist erklärbar und nicht greifbar zugleich. Er, das Berliner Kind, 1978 ebenda geboren, einst Graffiti-Sprayer, dann Schüler von Georg Baselitz an der Universität der Künste Berlin, später Meisterschüler von Daniel Richter, macht sein eigenes Ding, unbeirrt, saugt Eindrücke, Impressionen, Stimmungen auf wie andere Milch und Wasser, um in vermeintlich ungefilterte Farblandschaften wieder auszuschütten. Der Begriff des abstrakten Expressionismus steht im Raum, das Action Painting nach Jackson Pollock; genauso das deutsche Informell eines Hans Hartung. Und doch steht Awe für sich, für eine neue Form der Abstraktion: Seine wilden Farbexplosionen sind nur scheinbar willkürlich, sind genau genommen fein ausgeführte Kompositionen, die sich ihre eigenen Räumlichkeiten erschaffen; Plastizität entsteht, verlässt die Zweidimensionalität, das Trompe-l`oeil klingt an. Hie und da sogar taucht ein Wassertropfen auf, gemalt, foto-, hyperrealistisch ins Bild gesetzt, so, als perle er ab, von einer alles tragenden, glatten Oberfläche. Licht- und Schatteneffekte entstehen, einzig und allein hervorgerufen durch abstrakt verlaufende Farbflächen.

Wir, der unvoreingenommene Betrachter, finden uns konfrontiert mit einer Gefühlswelt, hervorgerufen durch pralle Farbigkeit, die auf uns überspringt, sich in unser Herz schleicht. Urbanität, die seitjeher Christian Awe ausmacht, klingt mit – kein Wunder, dass sich dessen monumentale Formate auch als Kunst am Bau wie selbstverständlich verbinden lassen mit metropolitaner Ästhetik, man denke an die 12 mal 27 Meter große Arbeit „Begegnung“ an der Fassade der Vertretung des Landes Niedersachen beim Bund, Berlin, in Sichtweite des Holocaust-Denkmals.

„Ich komme, wenn man so will, von der Straße, bin es gewohnt, in Dialog zu treten. Sozial, menschlich sein, ein gutes Miteinander feiern, das bin ich. Ich will Spuren hinterlassen, etwas geben, Gefühl, Kraft, Liebe“, sagt Christian Awe, der sich, wenngleich nicht sofort ersichtlich, sehr wohl beeinflusst sieht von seinen Lehrern, von der Freiheit des großen Georg Baselitz, der Experimentierfreude des aufstrebenden Daniel Richter. Die dunkle Seite freilich kennt er auch, doch muss man diese suchen gehen, in seinem bunt sprießenden, vor Freude strotzenden, harmonischen Oeuvre. Im postdigitalen Zeitalter, in Zeiten von Krieg und Krise, von Fremdbestimmung via Worldwideweb, einem distanziert erlebten Leben im Internet, eine mehr als willkommene Abwechslung, ja, ein fast lebensnotwendiges Elixier.